Mit dem 30. September 1890 lief das Sozialistengesetz endgültig aus. Es überlebte sein Vater, Bismarck war am 20. März entlassen worden, nur um ein halbes Jahr. Eine erschöpfende Darstellung der Opfer, die das Sozialistengesetz die Arbeiterklasse gekostet hat, lässt sich nicht entwerfen. Nach einer ungefähren Statistik waren unter dem Sozialistengesetz 1.300 periodische oder nichtperiodische Druckschriften und 332 Arbeiterorganisationen der einen oder anderen Art verboten worden. Ausweisungen aus den Belagerungsgebieten waren gegen 900 gefolgt, von denen über 500 die Ernährer von Familien betroffen hatten; auf Berlin fielen 293, auf Hamburg 311, auf Leipzig 164, auf Frankfurt 71, auf Stettin 53, auf Spielberg 1; in Offenbach hatte sich die hessische Regierung an der Ausweisung nicht ortsangehöriger Reichsbürger genügen lassen. Die Höhe gerichtlich verhängter Freiheitsstrafen belief sich auf etwa 1.000 Jahre, die sich auf 1.500 Personen verteilten.
Auf dem Parteitag in Halle im Oktober 1890 wurde der Name Sozialdemokratische Partei Deutschlands beschlossen und auf dem Parteitag in Erfurt im Oktober 1891 gibt sie die Partei ein neues Programm. Nun begann aber nicht eine Epoche völliger Freiheit, sondern man wendete das allgemeine Recht verschärft an. So ist z.B. ein Protokoll des ersten Sozialdemokratischen Parteitages für Hessen – Darmstadt und Hessen – Nassau vom 22. Februar 1891 nur deshalb noch erhalten, weil er von der Polizei überwacht und protokolliert wurde. Das Protokoll beginnt:
Der Parteitag wurde durch den gehorsamst Unterzeichneten überwacht. Mitanwesend war Schutzmann Zinke vom 4. Polizei-Revier.
Busjäger, Polizei-Commissar
Das Protokoll hat 90 Jahre in staatlichen Akten geschlummert und deshalb überlebt.
Text frei nach Werner Milschewsky und Günther Diehl